Kurzinterview mit Bürgermeister Rouven Kötter zur Erklärung von Kirchen, Landwirtschafts- und Umweltverbänden zum geplanten Logistikzentrum in Wölfersheim.

Dass sich Umwelt- und Landwirtschaftsverbände kritisch äußern, überrascht nicht. Aber nun schalten sich auch die Kirchen in die Debatte ein. Was sagen Sie dazu, Herr Kötter?

Kirchen haben selbstverständlich das Recht, sich in gesellschaftspolitische Fragen zu positionieren. Sie haben meines Erachtens nach aber auch die Pflicht, dabei alle Argumente anzuhören und zu berücksichtigen und dürfen sich nicht mit Scheuklappen auf einen einzigen Aspekt konzentrieren. Der Mensch gehört auch zu Gottes Schöpfung und hier geht es um die Zukunft von 550 Mitarbeitern und ihren Familien. Es geht um Perspektiven für unsere heutigen Schüler und darum, ob wir diesen eine Zukunft in unserer Region bieten können. Das kommt in der aktuellen Debatte meiner Meinung nach eindeutig zu kurz. Übrigens sind nicht alle Landwirtschaftsverbände dagegen. Der betroffene Ortsbauernverband Berstadt hat intensiv beraten und sich bewusst nicht negativ zu dem Vorhaben geäußert.

Es wird hauptsächlich kritisiert, dass 30 ha wertvoller Wetterauer Ackerboden umgenutzt werden sollen. Das kann Ihnen doch nicht egal sein?

Ist es auch nicht. Wir haben lange abgewogen und dieses Argument ist nicht wegzudiskutieren. Die Wetterau verfügt über hervorragende Böden und auch in der Projektfläche ist dies zumindest teilweise der Fall. Man muss es aber ins Verhältnis setzen. Wölfersheim hat 2.950 ha Ackerfläche. Für das Logistikzentrum, das uns 550 Arbeitsplätze und 20 Ausbildungsplätze bringt, benötigen wir 30 ha, das sind gerade einmal 1 % unserer Wölfersheimer Ackerflächen.

Nun widersprechen Sie sich aber: Ist das Projekt nun zu begrüßen, weil die Mitarbeiter ihren Job behalten können oder sind es Arbeitsplätze für Wölfersheim?

Beides ist der Fall, das ist kein Widerspruch. Zunächst freue ich mich, dass durch den Umzug niemand seinen Arbeitsplatz verliert, das ist mir –auch als Sozialdemokrat- besonders wichtig. Die Erfahrung mit anderen Ansiedlungen zeigt aber, dass durch Rente, Wegzug oder berufliche Veränderungen immer wieder Arbeitsplätze neu besetzt werden müssen, da bieten sich Chancen für die Bürger aus Wölfersheim und Umgebung. Wenn ich heute durch die Werkshallen von MAHLE, Frank oder Hinnerbäcker gehe, sehe ich lauter bekannte Gesichter und diese Unternehmen haben ihre Mitarbeiter auch mitgebracht, als sie ihren Standort zu uns verlagert haben.

Das heißt, Sie ignorieren die Belange des Naturschutzes und der Landwirtschaft, um Arbeitsplätze zu schaffen?

Nein, so trifft das keinesfalls zu. REWE baut nach höchsten Standards der Nachhaltigkeit und ist dafür bereits mehrfach ausgezeichnet worden. Auch das Logistikzentrum in Wölfersheim wird ein Musterbeispiel für nachhaltiges Bauen werden. Außerdem wurde angekündigt, einen Naturschutzbeirat für das Projekt zu gründen, bestehend aus örtlichen Naturschützern und dem Klimaschutzbeauftragten der Gemeinde Wölfersheim, Markus Michel. Dieser Beirat soll bei der Gestaltung des großen Außengeländes beraten, denn auch hier will REWE beispielgebend Maßstäbe setzen. Sowohl bei der Auswahl der Pflanzen, als auch bei der Anordnung der Grünflächen will man sich die Ortskenntnis und Fachkompetenz der lokalen Akteure sichern. Somit könnten beispielsweise für Bienen, Vögel und andere Tiere geschützte Räume geschaffen werden.

Es werden jedoch landwirtschaftliche Betriebe in ihrer Existenz gefährdet. Da hilft doch auch kein Naturschutzbeirat?

Es stimmt nicht, dass auch nur ein einziger landwirtschaftlicher Betrieb durch das Projekt existenziell gefährdet wird. Das gewählte Umlegungsverfahren ist eine im Baugesetzbuch genau geregelte und in vielen Kommunen regelmäßig angewandte Vorgehensweise. Danach darf ein Projekt nicht umgesetzt werden, wenn auch nur ein einziger Pächter oder Grundstückseigentümer dadurch existenziell gefährdet würde. Sie können sich sicher sein, dass gerade dieser Aspekt genau beleuchtet wird und wir für entsprechenden Ausgleich sorgen müssen. Auch der Ankaufpreis wird von einem neutralen Gutachter festgelegt und deutlich über dem Quadratmeterpreis für Ackerflächen liegen. Jeder, der Land abgibt, wird dafür mehr als fair finanziell entschädigt.

Sie wollen künftig als Erster Beigeordneter zum Regionalverband nach Frankfurt wechseln. Nun wirft man gerade der Regionalpolitik Beliebigkeit vor. Stimmt es, dass jede Kommune an Flächen bekommt, was sie will? Dann könnten wir uns einen Regionalen Flächennutzungsplan doch sparen, oder?

Als ich 2008 Bürgermeister wurde, war der aktuelle Regionale Flächennutzungsplan gerade in der finalen Beratungsphase. Die Planungen liefen seit mehr als drei Jahren. Wer soll denn damals gewusst haben, dass wir 2017 in Wölfersheim ein Logistikzentrum ansiedeln können? Regionalplanung ist wichtig, um Entwicklungen zu strukturieren, aufeinander abzustimmen und die gesamte Region im Blick zu haben. Die Welt dreht sich aber weiter und es muss Aufgabe der Regionalplanung sein, dafür zu sorgen, dass die Kommunen und damit unsere Region auf die Herausforderungen von heute auch Antworten geben können.

Der Protest wird dennoch anhalten, davon ist auszugehen. Wie wollen Sie die Gegner des Projekts überzeugen?

Es wird mir nicht gelingen, bei einem solchen Projekt alle Kritiker zu überzeugen. Es ist mir jedoch wichtig darzulegen, dass wir alle Argumente gut und sorgfältig abgewogen haben. Es gibt deutlich mehr Gründe für das Projekt, als dagegen. Ich bin froh, dass SPD, CDU und FWG in Wölfersheim gemeinsam entschieden haben, diese große Chance für unsere Gemeinde und die gesamte Region zu nutzen. Ich werde meinen Teil dazu beitragen, dass uns dies auch gelingen wird.